Stellungnahme von CampusGrün Münster zur Projektstelle Ideologiekritik

Gliederung

1. Zur Einordnung der Debatte um das Projekt "Ideologiekritik"
2. Unsere Position zu der Projektstelle IK
3. Reaktion auf das Statement von Juso HSG
4. Abschließend / Ausblick

Zur Einordnung der Debatte um das Projekt „Ideologiekritik“

Im Jahr 2014 beschloss der damalige AStA das Projekt Ideologiekritik, zu diesem Zeitpunkt in anderer personeller Zusammensetzung, zu fördern. Die Personen, die die Vortragsreihe heute organisieren, übernahmen das Projekt in den Jahren 2019 / 2020.

Die Zusammenarbeit mit der jetzigen Besetzung des Projektes wurde durch einen AStA-Beschluss vom 17. November 2020 beendet. Dieser wurde von einer Mehrheit mit 12 Stimmen dafür, keinen Enthaltungen und 4 Gegenstimmen beschlossen.

Dem Beschluss ist eine monatelange Diskussion um das Projekt vorausgegangen. Dabei kam es sowohl zu persönlichen Auseinandersetzungen als auch zu deutlichen politischen Differenzen von unterschiedlichen Akteur*innen im AStA. Dass ein Beschluss gefasst werden soll und das AStA-Plenum eine Entscheidung dazu trifft, ist in einem dafür eingerichteten Arbeitskreis des AStAs ausdrücklich empfohlen worden. Dabei wurden alle Akteur*innen mit einbezogen und waren einverstanden – auch die den AStA tragenden Listen und die Projektinhaber*innen. Die vorgesehene Abstimmung wurde daraufhin wochenlang vertagt und verhindert.

Wir haben uns deswegen dafür eingesetzt, dass die beiden Projektinhaber*innen für einen weiteren Monat Zuwendungen erhalten und sie so nicht zusätzlich finanziell von dem langwierigen Prozess im AStA betroffen waren.

Unmittelbar am Abend vor dem Plenum, bei dem es dann zur Abstimmung kommen sollte, haben sich die Projektinhaber*innen vom AStA abgewandt und gefordert, dass der AStA keine Entscheidung treffen dürfe. Außerdem sind persönliche Vorwürfe gegen einzelne AStA-Referent*innen geäußert worden und unhaltbare Anschuldigungen gefallen. Dazu gehören Unterstellungen, dass AStA-Referent*innen sie nicht ausreichend unterstützt hätten, Informationen strategisch vorenthalten wurden und auf Listenebene geheime Absprachen getroffen worden wären. Die Vorwürfe hatte offenbar das Ziel, Einzelpersonen zu diffamieren und den demokratischen Entscheidungsprozess in Frage zu stellen. Dieses Verhalten und die erneute Stellungnahme der Projektinhaber*innen wurde von uns als nicht konstruktiv aufgefasst. 

Bei einem langen Plenum unter Ausschluss der Öffentlichkeit – der listenübergreifend gewünscht wurde – wurde daraufhin darüber gesprochen, ob ein Beschluss zu dem Thema nun überhaupt noch notwendig sei. CampusGrün hat keine einheitliche Meinung dazu, respektiert aber die Entscheidung des gesamten AStA, einem unbequemen Beschluss nicht aus dem Weg zu gehen. Die Thematik bespielt vor allem einen innerlinken Konflikt und fällt einem linken AStA aus unterschiedlichen Strömungen dementsprechend schwer. Wir weigern uns aber, solchen Diskussionen grundsätzlich aus dem Weg zu gehen und respektieren den AStA-internen Prozess, der letztendlich zu einer Abstimmung geführt hat.

Der AStA-Beschluss wurde intern geheim abgestimmt. Wir bedauern, dass die Debatte nicht öffentlich möglich war, haben dafür dennoch großes Verständnis ,gerade weil der Druck auf die Referent*innen über Wochen gestiegen ist. Vor, während und nach dem Plenum und auch heute wird konstant Druck ausgeübt, den wir für unangebracht und eine Zumutung für alle Beteiligten halten.

Unsere Position zu „Veranstaltungen zur Ideologiekritik“

Am 4.12.19 veranstaltete der AStA zusammen mit Ideologiekritik den Vortrag „Nestbeschmutzerinnen. Thesen einer feministischen Islamkritik.“ von Koschka Linkerhand. Vor und während des Vortrages kam es zu Protesten. Der Vortragenden wird Transfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus vorgeworfen. Wir schließen uns dazu dem Statement, was über die Kanäle des queerfeministischen Kollektivs Gegengrau verteilt wurde, an: https://queerfems.blackblogs.org/2019/12/02/koschka-linkerhand-eine-kritik/

CampusGrün ist queerfeministisch. 
Das heißt, Menschen bestimmen selbst mit welchem Geschlecht sie sich identifizieren. Menschen ein Geschlecht zuzuschreiben, mit dem sie sich nicht identifizieren, halten wir für falsch, höchst unsensibel und diskriminierend. Linkerhand verleumdet Menschen, die sich mit einem Gender identifizieren, welches nicht dem vermeintlichen biologischen Geschlecht entspricht. In erster Linie werden hier Trans-Personen angegriffen, aber auch alle weiteren Menschen, die sich mit einem Gender identifizieren, welches nicht dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht. Auch benutzt sie rassistische Erzählstrukturen gegen muslimische Feministinnen, anstatt sich auf den Diskurs über das Verhältnis von Feminismus und Kopftuch einzulassen. Das hat für uns nichts mit Ideologiekritik zu tun. Deswegen stellt sich CampusGrün dem polemischen Ansatz Linkerhands klar entgegen und sieht es sehr problematisch, dass diese Ansichten durch die Inhaber*innen der Projektstelle Ideologiekritik verteidigt wurden.

CampusGrün ist antirassistisch.
In der Auseinandersetzung der letzten Monate machte das Projekt Ideologiekritik von einer Diskussionsstrategie Gebrauch, die auch vor rassistischem Gaslighting und Derailment nicht Halt machte. Es wurde konsequent vom eigentlichen Thema abgelenkt  und letztendlich über andere Themen gesprochen (Derailement), beispielsweise auf eine inhaltliche Debatte verwiesen statt dass auf die vorgebrachte Kritik am Umgang mit dem Vortrag von Linkerhand konstruktiv reagiert wurde. Außerdem wurde gezielt die  Wahrnehmung von Personen hinterfragt, um diesen mit Selbstzweifeln die Orientierung zu nehmen (Gaslighting). In diesem Fall wurde Menschen, die von Rassismus betroffen sind, vorgeworfen, dass sie nicht verstünden, was Rassismus sei. Diese Diskussionsstrategien können eine Reihe von schweren psychischen Störungen bei den Betroffenen verursachen. In wieder anderen Gesprächen verharmlosten die Inhaber*innen mehrfach Rassismuserfahrungen, indem sie von Betroffenen sprachen, die sich „auf den Schlips getreten“ fühlen würden. An dieser Stelle hat sich gezeigt, dass die Projektstelle Ideologiekritik nicht Widersprüche zwischen Ideologie und Wirklichkeit sucht, wie es tatsächliche Ideologiekritik täte. Vielmehr verteidigen sie vehement die eigenen Weltanschauungen und machen auch vor gezielten Wahrnehmungsverzerrungen, wie Gaslighting keinen Halt. Ideologiekritik bedeutet, Widersprüche zwischen Ideologien und Wirklichkeit zu untersuchen, um Denkfehler aufzuzeigen. Wir befürworten dieses Konzept und stehen der Förderung neuer ideologiekritischer Projekte durch den AStA offen gegenüber, sofern sie den Ansprüchen an die Ideologiekritik als Methode gerecht werden. Es darf aber nicht sein, dass diskriminierte Gruppen und ihre Erfahrungen nicht ernst genommen und delegitimiert werden. Vorgebracht wurde unter anderem, dass durch den Wegfall der Förderung von „Ideologiekritik“ eine wichtige Stelle der antisemitismuskritischen Arbeit wegfalle und dass sich dieses Vorgehen in ein Erstarken von antisemitischen Kräften in Münster einreihen würde. Diese Entwicklung betrachten auch wir mit Sorge, wollen aber nachdrücklich auf die antisemitismuskritische Arbeit hinweisen, die wir unter anderem durch die Projektförderung „Antisemitismus bekämpfen“ seit Jahren im AStA stark machen. Wichtig ist uns dabei: antisemitismuskritische Arbeit darf kein Vorwand für rassistische Äußerungen werden. Für uns als CampusGrün ist antisemitismuskritische Arbeit essenziell. Diese darf jedoch kein Freibrief für rassistische Äußerungen werden.

Rassismus ist unverhandelbar und indiskutabel. Personen, die allem Anschein nach rassistische Positionen vertreten und gegenüber den Vertreter*innen der Statusgruppe der Black People, Indigenous People and People of Color, gerade in diesem Ausmaß, feindselig auftreten, verdienen keine Förderung und noch weniger eine Bühne, die durch einen von CampusGrün geführten AStA bereitgestellt wird.

Reaktion auf das Statement der Juso-HSG

Zum Statement der Juso HSG

Auch wenn wir grundsätzlich die direkte Kommunikation und den persönlichen Austausch begrüßen, sehen wir uns als Reaktion auf das Statement der Juso-HSG gezwungen, auf diesem Weg zu kommunizieren und einige Punkte zu kontextualisieren. 

In dem Statement der Juso-HSG wird geschrieben, dass die Abstimmung über eine weitere Zusammenarbeit des AStAs mit den Projektinhaber*innen dadurch hinfällig geworden wäre, dass die Projektförderung Ideologiekritik einen Abend zuvor die Beendigung der Zusammenarbeit erklärte. Wir werten dies als strategisches Mittel, nach missglückten Rettungsversuchen über die Zusammenarbeit in eigener Sache zu entscheiden und weisen das entschieden zurück. Angesichts der Debatte und Problematik des Projektes zur Zusammenarbeit war ein Plenumsbeschluss weder hinfällig noch gegenstandslos geworden. Er wurde daher von einer Mehrheit der Referent*innen weiterhin gefordert. Die Aufgabe des AStAs besteht darüber hinaus darin, über die Förderung von Projekten zu entscheiden. Als CampusGrün müssen wir uns gegen Projektförderungen aussprechen, die unseren politischen Grundsätzen diametral entgegenstehen.

Auch die durch das Statement der Juso-HSG kritisierte Tatsache, dass der AStA-Beschluss im Anschluss öffentlich zunächst nicht weiter begründet und erläutert wurde, fußt auf dem ausdrücklichen Wunsch aller listenpolitischen Referent*innen. Es wurde dabei mehrmals von allen Beteiligten betont, dass die Abstimmung nicht ohne Erklärung stehen bleiben könne und ein gemeinsames Statement des AStAs im Anschluss erarbeitet werden sollte. Umso mehr überrascht und enttäuscht es uns, dass die Juso-HSG den weiteren Austausch und die gemeinsame Erarbeitung einer Stellungnahme durch ein eigenes Statement nun, ohne jede Berücksichtigung der Koalitionspartner*innen, im Keim erstickte. Dass die Juso HSG ihren eigenen Referent*innen hier nicht den Rücken stärkt und die Verantwortung für einen Ausschluss der Öffentlichkeit auf CampusGrün verschieben möchten, bedauern wir ebenfalls sehr und empfinden es als höchst unsolidarisch. Das Argument, dass es einen linken Diskurs geben müsse, der dem identitätspolitischen durchaus entgegenstehen kann, verzerrt die Debatte und verkennt verletzende Rassismuserfahrungen. Eine Debatte, die Rassismusbetroffenen ihre Diskriminierungserfahrungen insbesondere in Bezug auf intersektionale Aspekte abspricht, ist falsch und untragbar. Für uns als CampusGrün ist klar: Eine tatsächlich linke Debatte ist in der Lage, Diskurse zu schaffen, die es nicht nötig hat, Rassismusbetroffene polemisch zu diskreditieren. Gerade im universitären und wissenschaftlichen Raum spielt sich Rassismus auf einer sprachlichen Ebene ab und findet sich oft in Diskursen wieder, die über und nicht mit marginalisierten Personen geführt werden. Die Auseinandersetzung mit diesen Diskursen sollte integraler Bestandteil jeder rassismuskritischen, politischen Arbeit sein. Die Juso HSG betont die Möglichkeit, das Spannungsverhältnis der verschiedenen Ansätze auf eine Art und Weise anzuerkennen, in der Diskriminierung keinen Platz hat. Hier stimmen wir auf theoretischer Ebene überein. Die Weiterführung einer Projektförderung, die mehrmals mit rassistischem Verhalten aufgefallen ist und die auch im Nachhinein keinerlei Einsicht oder Bedauern zeigt, steht allerdings auf praktischer Ebene in offenem Widerspruch zu diesem Ideal.

Wir stellen uns grundsätzlich nicht gegen Ideologiekritik als Konzept. Dies geht anders als von der Juso HSG behauptet, auch aus dem Beschlusstext hervor: Der Beschluss stellt sich nicht gegen Ideologiekritik an sich, sondern gegen eine Weiterführung der Förderung „in ihrer jetzigen Form“. 

Abschließend / Ausblick

Wir sind uns bewusst, dass die genannten Spannungsverhältnisse unsere politische Arbeit in Zukunft weiterhin begleiten werden. Diese konkrete Thematik ist für uns damit jedoch abgeschlossen. Es wurden verschiedene Meinungen ausgetauscht und die Auseinandersetzung hat bereits extrem viel Zeit beansprucht. Wir bedauern, dass der Diskurs in vielen Teilen sehr verletzend abgelaufen ist und hätten uns eine angenehmere Debattenkultur gewünscht.

In der kommenden Legislaturperiode setzen wir uns als CampusGrün dafür ein, dass die Studierendenschaft Projekte fördert, die Ideologien kritisch hinterfragen.

Wir stehen hinter der Entscheidung unserer Referent*innen, die sich im Rahmen ihrer AStA-Arbeit intensiv mit der Thematik befasst haben und aufgrund einer demokratischen Entscheidung öffentlich persönlichen Angriffen ausgesetzt sind.

Als CampusGrün stehen wir auch hinter dem BIPoC-Referat. Wir solidarisieren uns mit allen, die von Rassismus betroffen sind und auf Koschka Linkerhand kritisch aufmerksam gemacht haben. Wir verurteilen die beleidigenden Angriffe, die das BIPoC-Referat und den Arbeitskreis Postkolonialismus auf verschiedenen Plattformen erreichen.

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